§219a und Roe vs. Wade

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02.07.2022

Ich muss mir mal wieder was von der Seele schreiben - so einen Rant hats ja schon länger von mir nicht mehr gegeben.

In der vergangenen Woche gab es zwei einschneidende Änderungen an bestehenden Gesetzen: In Deutschland wurde das Verbot der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche gekippt und in Amerika wurde Schwangerschaftsabbruch unter Strafe gestellt. Das kam, wie Sarah Bosetti sehr schön hervorhob fast zeitgleich und wirkte ein wenig verstörend.

Sollte es zumindestens bei all denen tun, die immer noch von einer Wertegemeinschaft faseln. Viele der Kommentatoren in den sozialen Medien haben die Entscheidung in Amerika extrem böse kommentiert - ich verlinke die entsprechenden Karikaturen hier mal nicht, da manche davon aus meiner Sicht echt grenzwertig waren. Der Tenor war jedoch oft - und das ist noch ein sehr schlechtes Timing - der Vergleich, dass das Kind im Mutterleib jetzt hervorragend geschützt ist, aber wenn es erst einmal geboren ist sich keiner der Fürsprecher dafür einsetzt, dass es ein menschenwürdiges Leben führen und sich frei entwickeln kann - stattdessen hat es eine hervorragende Chance, nach 8 oder 9 Jahren in der Schule niedergemäht zu werden.

Da ich schon seit vielen Jahren keine Hoffnung mehr für die Vereinigten Staaten von Amerika habe - wie verzweifelt auch der Rest der Welt sein muss hat eindeutig der Verleih des Friedensnobelpreises an Obama vor der Aufnahme der Arbeit als Präsident gezeigt - habe ich nach der Entscheidung Roe vs. Wade mit den Schultern gezuckt und nicht weiter drüber nachgedacht.

Allerdings änderte sich das, als ich dann vor ein paar Tagen las, dass Law Enforcement in Amerika darüber nachdenkt, sich die Daten von Zyklus-Apps und Fitness-Trackern (die ja schön zentral gesammelt werden) aushändigen zu lassen da man an diesen Daten - so gut sind diese Daten inzwischen offenbar - ablesen kann, wann eine Frau schwanger ist und erkennen kann, ob diese Schwangerschaft denn auch wirklich "lange genug" gedauert hat.

In diesem Zusammenhang wurde ich an ein Buch von Klaudia Zotzmann-Koch erinnert. Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich sie für die fünfte Auflage anfeuern sollte oder ob ich den Titel "Dann haben die halt meine Daten. Na und‽" nunmehr für zu zynisch halten sollte.

Das besonders unter dem immer noch frischen Eindruck des Videos No Bodys Business But Mine, a dive into Menstruation Apps auf dem 36c3 - dort wurde erklärt, welche Daten sogenannte Zyklus-Apps abfragen und weiterleiten. Als wäre das noch nicht gruselig genug ging es dabei darum, was ein durchschnittlicher Datensatz einer Person ohne (zur Reproduktion geeignete) Gebärmutter auf dem Spam - Entschuldigung: Werbemarkt kostet und das der Datensatz einer Schwangeren das 100-fache wert ist.

Wenn nun zu den Fitness-Tracker-Daten noch die Daten dieser Zyklus-Apps eingesammelt werden, dann sehe ich schon vor mir, wie es in Amerika dann demnächst häufiger mal an der Tür klingelt und ein Cop davorsteht, der die Frau einlädt, ihn zu begleiten, da die Daten anzeigen, dass eine Schwangerschaft nicht zu Ende geführt wurde. Wie bitte schön soll die Frau diesen Anwurf entkräften?

Das zeigt wieder einmal: Datenschutz ist nicht Schutz der Daten, sondern Schutz von Personen! Und es gilt auch hier wieder: Aufstehen und Widerstand, denn wie bereits früher bemerkt:

Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

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Ich warte ja immer auch darauf, dass mich Meldungen aus dem mittelbaren oder unmittelbaren IT-Umfeld wieder mal richtig anekeln - und Apple schafft es zuverlässig immer mal wieder - so auch diese Woche

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