Chaotische Systeme und implizites Eulerverfahren

vorhergehende Artikel in: Java Numerik
01.10.2018

Nachdem ich erfolgreich einige chaotische Systeme mittels numerischer Verfahren untersucht hatte, reifte in mir der Entschluss, für diese Systeme implizite und explizite numerische Verfahren gegenüberzustellen.

Wie sich der Leser vielleicht noch erinnert, sind numerische Verfahren zur Lösung von Differentialgleichungen nichts anderes als Differenzenverfahren oder - anders gesagt - wird die Lösung stückweise approximiert: Man berechnet auf die eine oder andere Weise den Anstieg der Funktion in einem Punkt und nimmt an, dass die Funktion in einem hinreichend kleinen Intervall hinreichend linear verläuft. Dann berechnet man den Wert der Funktion am Ende des Intervalls aus dem Wert am Anfang des Intervalls über den Anstieg (keine Angst - unten gibts Bilder...):

Das ist die traditionelle Eulerformel für die numerische Lösung von Differentialgleichungssystemen. Wie bereits hier beschrieben hat dieses Verfahren (wie alle expliziten Verfahren) diverse Nachteile, die man mit der Benutzung des impliziten Verfahrens umgehen kann:

Mein erster Versuch, chaotische Systeme mittels impliziter Verfahren zu behandeln, beschäftigte sich natürlich mit dem altbekannten Lorenz-Attractor:

mit

Daraus folgt für die Behandlung mit dem impliziten Eulerverfahren und einer Schrittweite (oder Intervallänge) h:

und eingesetzt:

Und wegen der Übersichtlichkeit:

Löst man dieses Gleichungssystem - und ich gebe zu, dass ich mich außerstande sah und Hilfe bei SymPy gesucht habe - kommt man auf ein Ergebnis für die Berechnung der drei Zustandsgrößen, das auf der Konsole - direkt von SymPy - wie folgt aussieht:

from sympy import *
>>> x, y, z,a,b,c,d,e,f,g,h,i,j = symbols('x, y, z,a,b,c,d,e,f,g,h,i,j')
>>> linsolve ([a+b*y-c*x,d+e*x-h*x*z-g*y,i+h*x*y-j*z],(x,y,z))
{((a*g*j + a*h**2*x**2 + b*d*j - b*h*i*x)/(-b*e*j + b*h**2*x*y +
b*h*j*z + c*g*j + c*h**2*x**2), (a*e*j - a*h**2*x*y - a*h*j*z +
c*d*j - c*h*i*x)/(-b*e*j + b*h**2*x*y + b*h*j*z + c*g*j +
c*h**2*x**2), (h*(a*(e - h*z) + c*d)*(b*y + c*x) - (b*(e - h*z) -
c*g)*(a*h*y + c*i))/(c*(h**2*x*(b*y + c*x) - j*(b*(e - h*z) - c*g))))}
>>>

Eindrucksvoll und dennoch verwirrend - daher habe ich es hier nochmal aufbereitet:

Die hier gezeigten Darstellung veranschaulichen den Vorteil des impliziten Eulerverfahrens noch einmal schön: Als Referenz habe ich den Lorenzattractor mit einem adaptiven, expliziten Cash-Karp-Solver bis zu t=30 berechnet. Das benötigte 10000 Schritte - damit war die optimale durchschnittliche Schrittweite mit h=0.003 ermittelt.

Daraufhin berechnete ich zunächst das System mit dem expliziten Eulerverfahren und unterschiedlichen Schrittweiten bis zu t=30. Die Darstellungen zeigen die Änderungen im Ergebnis für h= 0.003, h=0.006, h=0.02, h=0.03. Man kann erkennen, dass bereits bei h=0.02 die qualitativen Aussagen des Ergebnisses fast gar nicht mehr mit dem "Original" in Einklang zu bringen sind. Bei h=0.03 schließlich kann keine Lösung mehr ermittelt werden.

Das letzte Bild stellt das Ergebnis des impliziten Verfahrens mit einer Schrittweite h=0.03 dar - man sieht, dass die Lösung qualitativ noch sehr nahe am Original liegt. Damit ist einmal mehr bewiesen, dass man sich für die numerische Lösung von Differentialgleichungssystemen der Mühe unterziehen sollte, das implizite Eulerverfahren zumindest in Betracht zu ziehen.

Artikel, die hierher verlinken

Roessler Attractor und implizites Eulerverfahren

26.02.2020

Nachdem ich so viel Spaß bei der Untersuchung der Behandlung eines chaotischen Systems mittels impliziten Eulerverfahrens hatte, habe ich mir gleich noch eines vorgenommen...

Alle Artikel rss Wochenübersicht Monatsübersicht Github Repositories Gitlab Repositories Mastodon Über mich home xmpp


Vor 5 Jahren hier im Blog

  • Certstream, InfluxDB, Grafana und Netflix

    16.04.2019

    Nachdem ich vor kurzem über mein erstes Spielen mit dem certstream berichtete, habe ich weitere Experimente gemacht und die Daten zur besseren Auswertung in eine InfluxDB gepackt, um sie mit Grafana untersuchen zu können.

    Weiterlesen...

Neueste Artikel

  • Die sQLshell ist nun cloudnative!

    Die sQLshell hat eine weitere Integration erfahren - obwohl ich eigentlich selber nicht viel dazu tun musste: Es existiert ein Projekt/Produkt namens steampipe, dessen Slogan ist select * from cloud; - Im Prinzip eine Wrapperschicht um diverse (laut Eigenwerbung mehr als 140) (cloud) data sources.

    Weiterlesen...
  • LinkCollections 2024 III

    Nach der letzten losen Zusammenstellung (für mich) interessanter Links aus den Tiefen des Internet von 2024 folgt hier gleich die nächste:

    Weiterlesen...
  • Funktionen mit mehreren Rückgabewerten in Java

    Da ich seit nunmehr einem Jahr bei meinem neeun Arbeitgeber beschäftigt und damit seit ungefähr derselben Zeit für Geld mit Python arbeite, haben sich gewisse Antipathien gegenüber Python vertieft (ich kann mit typlosen Sprachen einfach nicht umgehen) - aber auch einige meiner Gründe, Python zu lieben sind ebenso stärker geworden. Einer davon ist der Fakt, dass eine Methode in Python mehr als einen Wert zurückgeben kann.

    Weiterlesen...

Manche nennen es Blog, manche Web-Seite - ich schreibe hier hin und wieder über meine Erlebnisse, Rückschläge und Erleuchtungen bei meinen Hobbies.

Wer daran teilhaben und eventuell sogar davon profitieren möchte, muß damit leben, daß ich hin und wieder kleine Ausflüge in Bereiche mache, die nichts mit IT, Administration oder Softwareentwicklung zu tun haben.

Ich wünsche allen Lesern viel Spaß und hin und wieder einen kleinen AHA!-Effekt...

PS: Meine öffentlichen GitHub-Repositories findet man hier - meine öffentlichen GitLab-Repositories finden sich dagegen hier.